Höcke vs. Hoffmann

Der Kollege Moritz Hoffmann hat eine beneidenswert fleißig Feder und schafft es immer wieder, durchdachte Gedanken zu einem aktuellen Ereignis schon dann veröffentlicht zu haben, wenn ich mich selbst noch in Schockstarre befinde. So auch dieses Mal: Die Dresdener Rede von AfD-Geschichtslehrer Björn Höcke ließ mir den Atem stocken. Als ich Ausschnitte sah assoziierte auch ich mit der Sprache und den „Argumenten“ einen engagierten Goebbels der frühen 1930er Jahre. Damit mag man Höcke Unrecht tun. Nichtsdestotrotz beherrscht derzeit kaum ein Politiker das alte Gesetz der bewussten Provokation so perfekt wie er. Als studierenter (aber aktuell nicht praktizierender) Geschichtslehrer dürfte man wohl erwarten dürfen, dass er seinen politischen Forderungen auf ein solides historisches Fundament setzt. Schon viele Generationen von Politikern haben erfolgreich gezeigt, dass sich historische Ereignisse und Entwicklungen je nach eigenener politischer Couleur wunderbar für die eigene Sache ausschlachten lassen. Doch Höcke scheint die Solidität seiner Aussagen nicht sonderlich zu interessieren – der applaudierende Dank seiner Zuhörerschaft vor Ort mag ihm ausreichend gewesen sein.

Moritz Hoffmann ist nicht nur selbstständiger Historiker und – wie ich – Mitglied des Teams an der Heidelberger Public History-Professur (er als Doktorand, ich als Mitarbeiter), sondern bekanntermaßen auch Experte für das Thema Dresden 1945, das Höcke vor Ort natürlich umfangreich bedient hat. Moritz Hoffmann hat sich daher nur einen einzigen Absatz aus der Rede herausgepickt und diesen nach allen Regels der geschichtswissenschaftlichen Kunst zerlegt analysiert: https://twitter.com/moritz_hoffmann/status/821650361131876354

Danke, lieber Moritz, für dein schnelles und beherztes Handeln – auch wenn es dir wieder einmal hunderte pöbelnde Kommentare auf Twitter (aber auch etliche Presseanfragen) beschert hat. Genau so sollten meiner Meinung nach Historikerinnen und Historiker handeln: Mit unserem Wissen und unserer Quellenkompetenz können wir die zahlreichen Vergangenheitsargumente in aktuellen Debatten analysieren, einordnen und verständlich machen. Dazu müssen wir nur rausgehen – in die Medien. Offene Ohren werden wir finden.

Wer mehr über den Tweet erfahren will, wird hier fündig:

http://www.br.de/puls/themen/netz/moritz-hoffmann-korrigiert-bjoern-hoecke-rede-100.html

https://www.vice.com/de/article/dieser-historiker-zerlegt-bjoern-hoecke

http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/holocaust-bjoern-hoecke-zieht-kritik-der-geschichtslehrer-auf-sich-a-1130777.html